Die grundlegende Annahme für die Entwicklung eines multienergetischen Systemreglers ist ein Wärmenetz der 5. Generation mit unterschiedlichen dezentral angeschlossenen Anlagen, welche aus dem Netz thermisch versorgt werden oder in dieses Wärme einspeisen. Das Ziel ist ein lokal kombinierter Betrieb in Bezug auf Wärme und Strom. Hierbei liegt der Fokus auf der Einbindung von Erneuerbaren Energien durch die dezentralen Anlagen. Hierdurch können für die Anlagentechnik in den Gebäuden folgende thermische Betriebsweisen definiert werden:
In Bezug auf die elektrische Versorgung der Liegenschaften ist ein stetiger Austausch mit dem elektrischen Netz notwendig. Ein sogenannter autarker Inselbetrieb wird nicht berücksichtigt. Somit ergeben sich die folgenden elektrischen Betriebsweisen:
Um diese unterschiedlichen Betriebsweisen mit diversen Anlagentechnologien in Zusammenspiel mit einem gemeinsamen Wärmenetz umzusetzen ist die Entwicklung eines multienergetischen Systemreglers mit allgemeinen Schnittstellen für einen ganzheitlich optimierten Systembetrieb mit möglichst hohem Anteil an regenerativen Energien notwendig.
Im Zuge der energetischen Optimierung und technischen Entwicklung erfolgt eine Reduzierung der Temperaturniveaus von Wärmenetzen. Je nach Temperaturniveau können diese in unterschiedliche Generationen eingeteilt bzw. bezeichnet werden, siehe Tabelle 1. Im Rahmen des Projektes wird vor allem der Einsatz in einem Wärmenetz 5. Generation beabsichtig aber auch Systeme mit höheren Netztemperaturen sollen integrierbar sein.
Wärmenetz | Vorlauftemperatur | Rücklauftemperatur | |||
3. Generation | < 100 °C | 50 … 60 °C | |||
4. Generation | 45 … 70 °C | < 40 °C | |||
5. Generation | 5 … 25 °C / < 50 °C | < 25 °C | |||
Die Bezeichnungen „Wärmenetz der 5. Generation“ stellt hierbei keinen definierten Begriff dar. In der Literatur sind hierzu auch folgenden Bezeichnungen zu finden:
Ebenso wie die Bezeichnungen sind die Betriebsparamater für ein Wärmenetz der 5. Generation nicht fest charakterisiert. Je nach Herkunft und Betriebsweise existieren hierzu variable Definitionen. Im Forschungsprojekt wird das Wärmenetz der 5. Generation als Basis für die UseCases wie folgt definiert:
Gebäudeseitig müssen die Anforderungen der jeweiligen Abnehmer erfüllt werden. Je nach Systemkonzept müssen hierzu die Temperaturniveaus für Beheizung, mittels Heizkörper oder Fußbodenheizung, sowie die Trinkwarmwassererwärmung berücksichtigt werden. In der Tab. 2 sind die entsprechenden Temperaturanforderungen gegenübergestellt.
Abnehmer | Vorlauftemperatur | ||||
Fußbodenheizung/Flächenheizung | ϑ(V FBH) = 35…40 °C | ||||
Heizkörper | ϑ(V HK) = 50…75 °C | ||||
Trinkwassererwärmung | ϑ(V TWE) = 55…65 °C | ||||
Die zu betrachtenden Gebäude sollen an ein Wärmenetz der 5.Generation angeschlossen werden. Das Temperaturniveau des Netzes reicht somit nicht aus, um die Gebäude allein zu versorgen. Hierzu muss gebäudeseitig durch einen zweiten Wärmeerzeuger das entsprechende Temperaturniveau (zur Bereitstellung von Trinkwarmwasser sowie ggf. Beheizung) zur Versorgung des Gebäudes bereitgestellt werden. Hierzu sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Im Rahmen des Forschungsprojektes werden die nachfolgenden UseCases näher betrachtet und hinsichtlich der technischen Parameter und Umsetzbarkeit bewertet:
b: Integration Gebäudekühlung und Wärmeeinspeisung mittels Wärmepumpe
Im Rahmen des Forschungsprojektes liegt der Fokus auf der Entwicklung des multikriteriellen Systemreglers, welcher die unterschiedlichen genannten Anlagentechnologien dezentral optimiert betreiben kann und gleichzeitig über eine definierte Schnittstelle mit dem angeschlossenen übergelagerten Wärmenetz interagieren kann. Hierdurch wird zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, dass die dezentralen Anlagen als Verbund gemeinsam die Systemversorgung ergänzen oder in Teilen vollständig übernehmen können. Eine energetische und hydraulische Netzoptimierung wird im Rahmen des Projektes jedoch nicht durchgeführt. Es wird lediglich eine IT-Schnittstelle für diese Einbindung entwickelt, welche das Datenprotokoll, die Kommunikationspfade sowie ein möglichst allgemeingültiges Datenmodell beinhaltet.
Hierzu sind in erster Linie die Temperatur-Anforderungen der Versorgungsstruktur zu berücksichtigen, welche seitens des Wärmenetz sowie der Verbraucher vorgegeben werden. Grundsätzlich wird das Wärmenetz als erste Wärmequelle für die Liegenschaften definiert. Als zweiter dezentraler Wärmeerzeuger wird je nach UseCase ein Heizstab, eine KWK-Anlage sowie eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe im Verbund mit dem Wärmenetz berücksichtigt.
Für jeden UseCase ist für die jeweilige Betriebsweise eine Definition des Anwendungsfalls notwendig. Hierzu müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:
Das Ziel des Forschungsprojektes ist eine resiliente Energieversorgung, welche durch die Entwicklung eines multienergetischen Systemreglers unterstützt wird. Eine resiliente Energieversorgung beschreibt ein Energiesystem, was sich durch folgende Faktoren auszeichnet:
Für eine Bewertung eines Energieversorgungssystems im Kontext der Resilienz sind u.a. drei Aspekte der einzelnen Teile des Systems zu beachten:
Die vorgelagerten Netze werden in Form von Energiebilanzen sowie Temperaturniveaus (Wärmenetz) betrachtet. Eine Netzoptimierung wird nicht durchgeführt. Der Fokus liegt jedoch auf einer netzdienlichen Betriebsweise der dezentralen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen mit einem möglichst hohen Anteil an regenerativen Energien.
In den nachfolgenden Übersichten werden die einzelnen Use-Cases vorgestellt und deren Komponenten, hydraulische Schemata und grundlegenden Zielstellungen sowie Randbedingungen aufgezeigt. Ziel ist es konkrete Fälle zur Anwendung des Systemreglers zu entwickeln.
Die vorgestellten Use Cases weisen alle unterschiedliche Eigenschaften in Bezug auf die gebäudeseitige technische Umsetzung auf. Ziel des Projektes ist die Anbindung von Gebäuden an ein Wärmenetz der 5. Generation. Gegenwärtig sind Wärmenetze mit höheren Systemtemperaturen vorherrschend (Wärmenetze 3. und 4. Generation), die auch voraussichtlich in den nächsten Jahren weiterhin so betrieben werden. Nachfolgend werden die Einsatzmöglichkeiten der Use Cases in Kombination mit den zuvor vorgestellten verschiedenen Varianten der Wärmenetze gegenübergestellt. Dabei wird zwischen den beiden Betriebsweisen Prosumer (Tab. 3) und Consumer (Tab. 4) inkl. den Anforderungen verschiedener Abnehmer (TWE, Art der Heizung) unterschieden. Tab. 4 zeigt dabei auf, mit welchen Wärmenetzen bestimmte gebäudeseitige Abnehmer unter Beachtung des notwendigen Temperaturniveaus versorgt werden können.
Wärmenetz Use Case |
3.Generation | 4.Generation | 5.Generation |
Use Case 1 | (X)1 | (X) | X² |
Use Case 2 | (X) | X | X |
Use Case 3 | X | (X) | |
Wärmenetz | 3.Generation | 4.Generation | 5.Generation | |
Use Case | Abnehmer | |||
Use Case 1 | Flächenheizung | X | X | (X) |
Heizkörper | X | X | ||
Trinkwassererwämung | X | (X) | ||
Use Case 2 | Flächenheizung | X | ||
Heizkörper | X | |||
Trinkwassererwämung | X | |||
Use Case 3 | Flächenheizung | X | X | (X) |
Heizkörper | X | X | ||
Trinkwassererwämung | X | (X) | ||
1: (X) – möglich mit Einschränkungen
2: X – uneingeschränkt möglich
Nachfolgend werden die zuvor getroffenen Bewertungen der Umsetzbarkeit kurz für die einzelnen Use Cases begründet. Grundsätzlich werden dabei die zuvor definierten Temperaturanforderungen genutzt und hinsichtlich der Übereinstimmungen sowie technischen Spezifikationen bewertet.
Use Case 1
Aus der direkten Anbindung des thermischen Speichers an die Wärmeübergabestation folgt, dass dessen oberes Temperaturniveau grundsätzlich dem des Wärmenetzes entspricht. Eine Nachheizung wird über den elektrischen Heizstab im Speicher möglich, wobei aber folgende Aspekte beachtet werden müssen:
Folglich ist ein Bezug aus einem Wärmenetz 5. Generation unter Umständen für die Versorgung einer Fußbodenheizung möglich (ϑV FBH < ϑV FW). Eine Versorgung einer TWE bzw. einer Heizung auf höherer Temperatur ist nur unter dauerhafter Nachheizung möglich, was aus energetischer Sicht bei Nutzung einer elektrischen Direktheizung nicht zu empfehlen ist. Weiterhin wirkt einschränkend, dass die Wärmeabnahme im Gebäude eine Auskühlung des Wärmeträgermediums auf ausreichend niedrige Temperaturen (ϑHZ < ϑFW) gewährleisten muss. Für diesen Use Case ist damit ein Bezug vor allem aus Netzen mit höheren Temperaturen (3. oder 4. Generation) zielführend.
Treten PV-Überschüsse auf, werden diese in Wärme gewandelt und können damit dazu beitragen, dass ebenfalls ein Wärmeüberschuss entsteht. Eine Einspeisung dieser Wärme ins Wärmenetz ist möglich, wenn die Speichertemperatur ein ausreichend hohes Niveau erreicht (ϑEin < ϑFW), sodass eine Einspeisung in das Wärmenetz umsetzbar ist. Diese Bedingung wird bei niedrigerer Netztemperatur leichter erfüllt
Use Case 2
Die Nutzung von zwei Speichern mit verschiedenen Temperaturniveaus und die Anhebung der Temperatur von Speicher 1 zu Speicher 2 über eine Wärmepumpe ermöglicht den Bezug von Wärme auf einem niedrigen Temperaurniveau für die Nutzung einer TWE oder einer Heizung mit freien Heizflächen oder Heizkörpern. Damit ist für Use Case 2 der Bezug von Wärme aus einem Wärmenetz 5. Generation sinnvoll. Ein Anschluss an Netze mit höheren Temperaturen würde den Einsatz der Wärmepumpe konterkarieren, sodass dies nicht zielführend ist.
Die Nutzung von PV-Überschüssen für die Wärmepumpe zur Beladung des Hochtemperaturspeichers kann nicht direkt zur Einspeisung in das Wärmenetz genutzt werden, da damit eine Einspeisung in Richtung der Wärmequelle der Wärmepumpe erfolgen würde. Es ist somit eine zweite Wärmequelle oder eine hydraulische Trennung zwischen Bezug und Einspeisung notwendig, um eine Einspeisung zu ermöglichen. Dieses Ziel wird im Rahmen des Projektes nicht verfolgt. Eine Einspeisung von Wärme resultierend aus Abwärme einer Gebäudekühlung ist hingegen denkbar, wird aber zunächst ebenfalls nicht betrachtet.
Use Case 3
Analog zu Use Case 1 ermöglicht das hydraulische Schema keine Temperaturerhöhung beim Bezug aus einem Wärmenetz der 5. Generation. Damit muss die Temperaturschichtung im Speicher beachtet werden, sodass es zu keiner Auskühlung kommt. Weiterhin ist mit einschränkender Wirkung zu beachten, dass der Rücklauf der KWK für eine hohe Effizienz möglichst niedrig ausfallen sollte und damit eine Vorwärmung nur bedingt möglich ist (ϑR KWK < 50 °C). Gleichzeitig müsste analog zu Use Case 1 beim Bezug aus einem Wärmenetz 5. Generation eine ausreichende Auskühlung des Sekundärkreises durch die Wärmeabnahme erfolgen. All diese Aspekte schränken die Möglichkeit eines Bezugs aus einem Wärmenetz 5. Generation erheblich ein (Nutzung in einer Fußbodenheizung), sodass ein Anschluss an ein Netz mit höherer Temperatur zielführender ist.
Umgekehrt können Wärmeüberschüsse bei ausreichender Temperatur des Vorlaufs der KWK ins Wärmenetz eingespeist werden, was für Wärmenetze der 4. und 5. Generation und Vorlauftemperaturen der KWK von ϑV KWK > 70 °C möglich ist.
Der Vergleich der Tab. 1 und 2 zur Umsetzbarkeit zeigt, dass keiner der Use Cases sowohl eine Einspeisung als einen Bezug aus dem Wärmenetz vollständig abdecken kann. Damit ist kein Use Case als echter Prosumer (vollständige Möglichkeit für Einspeisung und Bezug) zu bewerten. Für die getrennte Einspeisung bzw. den Bezug sind jedoch Varianten technisch sinnvoll.
Grundsätzlich ist in Use Case 1 und Use Case 3 keine direkte Temperaturerhöhung bei Bezug aus einem Wärmenetz der 5. Generation möglich, sodass ein Bezug aus diesem zum Auskühlen des Speichers führen könnte, wobei das Temperaturniveau für Flächenheizungen ausreichend sein könnte. Im Gegensatz dazu ist ein Bezug aus Wärmenetzen mit höheren Temperaturen sinnvoll umsetzbar und eine Einspeisung in ein Wärmenetz mit niedrigeren Temperaturen (Wärmenetz 4. oder 5. Generation) ist bei Überschüssen ebenfalls machbar.
Für Use Case 2 hingegen ist ein Bezug aus einem Wärmenetz älterer Generation nicht zielführend, da aufgrund der höheren Temperaturniveaus die Temperaturerhöhung durch die Wärmepumpe nicht notwendig wäre. Dieser Use Case bildet damit die optimale Variante für den Bezug aus einem Wärmenetz 5. Generation ab. Eine Einspeisung ist für diesen Use Case hingegen nur bedingt umsetzbar, da eine zweite Wärmequelle fehlt. Eine Variante wäre die Nutzung von Wärme aus der Gebäudekühlung oder die Kombination mit einer weiteren Wärmequelle, wie es in diesem Forschungsprojekt jedoch nicht vorgesehen ist.